Die Fahrt
mit verwackelter Schrift liest man einen Tagebucheintrag aus klecksender Tinte auf altem Papier mit gelben Wasserflecken
Seekrankheit ist schlimmer als ich dachte...während mir so schlecht ist, dass ich keine Nahrung bei mir behalten kann und entsprechend meine körperliche Verfassung leidet, und meine generelle Konstitution und Stärke rapide abnimmt, kriecht mir durch die Nässe die Gicht in die Knochen und ich werd immer unbeweglicher. Wenn wir nicht bald Land erreichen bin ich kaum in Kampffähiger Verfassung. Immerhin haben wir genug Zitronen geladen, dass Skorbut nicht noch dazu kommt. Dafür ist der Rum alle und langsam bemerke ich wie lang und -weilig die Tage an Bord sind. Aber es hat auch Vorteile sich die Seele aus dem Leib zu reiern, zumindest hab ich in meiner kleinen Kajüte Ruhe. Ich glaube ausser dem Kapitän hab ich noch keinen der anderen Expeditionisten kennen gelernt und kann mich in Ruhe dem Studium widmen, auch wenn die Übelkeit den Geist lähmt. Worauf hast du dich da nur eingelassen Kryor...Mit 41 ist das wohl die letzte Gelegenheit für ein großes Abenteuer, ein letztes mal die Welt erleben bevor man zu Alt wird um vor die Tür zu gehen oder mit einem Lehrstuhl an die Universität gekettet dahinsiecht, ein körperliches und geistiges Wrack das geschwollen blubbernd Demenz und Idiotie an die Jugend weitergibt. Irgendwie hoffe ich ja, dass die Expedition nicht zurückkehrt und mir das Gesäusel der feinen Obrigkeit die auf seltsame Behandlungsmoden besteht erspart bleibt, und erst recht das Gezeter am Markt. Aber dann, wie lange halte ich es ohne die Bordelle und Richards feiern aus? Ich fürchte, auch hier sind Frauen an Bord verboten, aber wer weiß, vielleicht hab ich Glück und es sind ein paar hübsche Dirnen dabei für die Moral und so. Na wenn ich jemals aus diesem Zimmer komme werd ichs erfahren, vielleicht bleib ich auch deswegen hier drin um die Hoffnung bis zuletzt zu bewahren. Die Kombüse ist auch nicht gerade fein, vielleicht krieg ich das Essen deswegen nicht runter. Was ein Loch...
Bin ich auf meine alten Tage so verweichlicht? Im Heerzug war das Essen schlimmer, die Gesellschaft schlecht und der Tod gewiss. Und nun mecker ich wegen Übelkeit. Wie dem sei, es war wohl unumgänglich. Die Spannungen mit dem Großadepten wären nicht mehr lange gut gegangen, und die Diskussionen mit den anderen Rosenkreuzern waren anstrengend. Sind ja gelehrte und hohe Leute darunter, aber so...blind. Fast wie auf der Universität, und so vom Glauben besessen. Sind die Widersprüche der Bibel und der Glaubenskrieg Gottes Wille um uns zu prüfen wie der Klerus sagt, oder ist es nicht eher so, das wir einfache fehlbare Menschen zu unfähig sind Gottes Wort zu verstehen, und erst recht, es aufzuschreiben? Was wenn die Bibel von Idioten geschrieben wurde, oder bösartigen Leuten die Gottes Wort bewusst verdreht haben? Aber das ist ja Ketzerei, doch was bringt der Papst uns ausser sinnlosen Krieg in dem Männer abgeschlachtet werden und Kinder verhungern. Und warum? Weil irgendso ein fetter Sack vor 100 Jahren n paar Ideen an ne Tür genagelt hat. Es wär schon lustig, wärs nicht so tragisch. Ich bin schon stolz darauf wegen Reibereien mit dem Oberkommando aus der Armee geflogen zu sein, hätt ich gewusst, dass man mich als Arzt zu sehr braucht um mich aufzuknüpfen hätt ich früher den Mund aufgerissen um rauszufliegen, hätt mir viele Narben und Anblicke erspart auf die ich verzichten könnte. Krieg ist schon was furchtbares, aber erst recht wenn die angeblich unschuldigen Seelen um die man sich prügelt massenweise verrecken, weil sich die feinen Leute nicht einig werden ob man seine Sünden öffentlich rausposaunen oder unter vier Augen beichten soll, warum nicht Beides, ich hab da Sünden bei denen es eher Beifall klatscht wenn ich die veröffentliche. Wie dem sei, ich denke bei den Rosenkreuzern habe ich alles gelernt was zu lernen war, Alchemie, Kabbalah, Hermetik, Evokation, Nekromantie....aber nichts funktioniert so richtig, ausser der Alchemie....bin ich zu schlecht?
Oder liegt es daran, dass die Magie wie Gott, nunmal nicht auf dieser Erde weilt. Und das bringt mich nach Aeternum. Die Loge und der gute Richard von Habsburg denken, dass es dort Geheimnisse gibt die nie für Sterbliche bestimmt waren. Gerüchten aus Spanien zu Folge, soll es dort den Jungbrunnen geben, das Geheimnis ewigen Lebens und ewiger Jugend...aber das hiess es auch von Südamerika, dann Mittelamerika...Afrika...und keiner hat was gefunden. Vermutlich ist es nur eine Legende um Idioten zu suchen die freiwillig an den Arsch der Welt reisen und ihr Leben riskieren damit man Gold und Gewürze findet. Mag sein, dass andere Reisende nur Reichtum suchen aber den Jungbrunnen könnte ich brauchen. Man stelle sich vor, ewiges Leben! Wieviel Wissen könnte man erlangen, welche Meisterschaft in...allen Dingen. Wie viel Feiern könnte man durchstehen. Ich bete ja, dass er verjüngt...mein Rückenprobleme brauch ich nicht unbedingt für die Ewigkeit und meine Augen waren auch mal besser. Aber wie jung? Ein Milchbart will ich jetzt auch nicht werden, oder gar ein kreischender Säugling der dann verhungert. Naja ich werde ja sehen was es bewirkt...wenn es nicht wieder ein Gerücht ist um billig Helfer für eine Expedition zu finden. Zum Glück bin ich nicht der einzige Arzt an Bord, oder es geht hier erstaunlich wenig schief. Jedenfalls hatte ich noch keine Patienten, ein Glück bedenkt man, dass ich nur Medizin studiert habe weil Jura zu trocken und Theologie zu gefährlich ist, ach würde die Loge sich doch öffnen und die Wahrheit an Universitäten lehren...aber dann würde der Papst sie wohl abbrennen. ich schweife ab. in der Loge sprach man also von Aeternum und dem was man da finden könnte...interessanter Name, die Ewigkeit...passt zum Jungbrunnen aber den Namen hat sich wieder irgendein eingebildeter Schnösel ausgedacht. "Drecksinsel am Arsch der Welt" war wohl zu lang und nicht gehoben genug.
Aeternum also, sagte der Logenmeister, wäre unbedingt zu erforschen, und zugegeben der Reiz auf ewiges Leben....da meldet man sich in meinem Alter schon freiwillig. Auch Andere, sicher, aber die meisten davon sind zu alt für solche Reisen, oder zu Jung und unerfahren. Mit meiner militärischen Ausbildung in Kampf, Kommando und der akademischen Ausbildung in Medizin sowie meiner Treue zum okkulten schien der Loge perfekt geeignet, und auch Wertvoll für eine Expeditionsgruppe also...eine letzte wilde Nacht in Richards Lieblingsbordell und auf nach Spanien...so weit bin ich noch nie gereist, der Krieg war zum Glück vor der Haustür. Immerhin kam Ottokar mit, der einzige Freund den ich in der Loge habe, und nun sehen wir uns nicht...naja. Und dann nicht nur nach Spanien, sondern an die Küste. Hübsche Damen da, ich wär ja geblieben aber Kommandant Thorpe bestand auf baldigen Aufbruch und ich war ob der langen Reise einer der Letzten auf die man wartete, und Ottokar hatte es auch eilig also...an Bord. Und nun fahren wir nach Aeternum. Der Kapitän kennt wohl die Koordinaten und bringt uns schnell hin, aber sonst Wissen wir nichts darüber, nur das bisher keiner von da zurück kam. ich hoffe ja sehr es gibt kein Riff das alle Schiffe versenkt oder ein Meeresungeheuer wie diese mythologischen Kraken. Oder gar was magisches das einen hindert...vielleicht Dämonen, Geister, Untote? Das wär mal was....die Pestkranken sehen wahrlich aus wie Untote, aber die sterben und werden kalt, und dann bleiben sie liegen. Vielleicht gibts da auch den Eingang in die Unterwelt, den man an so vielen Orten vermutet hat Oder es ist eine Insel voller hübscher junger Weiber mit den besten Gewürzen und Speck der auf Bäumen wächst und es will einfach niemand nach Hause. Das wär mal was. Also gespannt nach vorn geblickt, Thorpe meint wir sind nur ein paar Tage vom Ziel entfernt, selbst bei ungünstigem Wind...
Die Ruhe vor dem Sturm
Es heisst, im Alter brauche man immer weniger Schlaf.....ich hoffe, das stimmt, denn Schlaf finde ich in letzter Zeit nur wenig. Ich geh brav ins Bett wie ein Kleinkind und wache in aller frühe auf....und das trotz Valeriana officinalis und Humulus lupulus die ich mit Lavandula angustifolia zu mir nehme, gegen die Übelkeit, Magen beruhigender Wirkung und ein leichtes Schlafmittel in Matricaria chamomilla. Was man eben so an Bord hat, besonders der Hopfen war der Küche schwer abzuschwatzen, als ob man hier Bier brauen könnte.
Nun, ich weiß nicht genau was mich so früh aus dem Bett reisst, hellwach aber ohne Schweißausbruch, Tachykardie oder zittern. Einfach wach und woran ich mich erinnere ist Schnee und ein seltsamer Berg der aussieht als wäre er zersplittert. Es kommt mir vor als würden die Bilder klarer je näher wir Aeternum kommen. Ich würde es ja für albernen Schabernack halten, natürlich Träume ich von den verschneiten Bergen meiner Kindheit, aber es ist eher ein einzelner Berg nicht wie in Tirol.
Zudem kam mein erster Patient herein mit ähnlichen Problemen. Nur weitaus schlimmer, er berichtet von starker Tachykardie, Nausea mit Vomitus. Bei dem Schiffgeschaukel wundert mich das nicht, da krieg ich auch das Kotzen nur ist er ein gestandener Seemann der noch nie unter Kinteose litt und er zudem sehr ungewöhnlich eine recht ausgeprägte Mydriasis hat, als hätte er Bewusstseinserweiternde Mittel eingenommen aber davon abgesehen, dass der Patient das verneint, haben wir meines Wissens auch gar keine an Bord. Dennoch möglich, dass er halluziniert.
Er träumt von einem Sturm mit starkem Nebel, was mit Sicherheit kein Naturphänomen ist, und roten Blitzen die darin zucken, direkt wie eine Wand auf dem Wasser, und er von einem Blitz getroffen wird, da wacht er auf und übergibt sich.
Das Essen ist auch völlig in Ordnung, auch wenn es ziemlich übel schmeckt, sollte es leicht verdaulich sein. Fisch...Fisch und nochmal Fisch, was hab ich mir dabei gedacht auf ein Schiff zu gehen.
Naja wie dem auch sei, ich hab dem Patienten gesagt er solle Baldrian, Hopfen, Lavendel vor dem Schlafen gehen und Kamilletee für den Magen nehmen und am besten 6 Stunden vor dem Schlafen nicht mehr essen...und unbedingt weniger Rum trinken, am Besten gar keinen. Hat der mich angeblickt als ich ihm das sagte...worauf ich nur grinsend meinte es würde auch gegen Cephalgie helfen, und da er nicht wusste, dass es einfach einen dicken Kopp meint, nimmt ers glaub ich ernster.
Ein anderer Matrose kam später zu mir, nichts Unerwartetes an sich, der Wind ist stark geworden und als der Mast schwenkte, ist ihm der Balken an die Schulter gedonnert. Keine Frakturen, nur ein Hämatom gewaltiger Grösse, hab eine Bandage mit Arnikasalbe angelegt und ihm Cinnamomum camphora verschrieben.
Ich würds nicht weiter erwähnen, aber das Hämatom hatte eine sehr seltsame Form, der Bluterguss passt nicht ganz zum Hergang der Wundentstehung, es hat fast die Form eines Kontinentes, Eurasia um genau zu sein, mit Inseln, sieht jedenfalls ähnlich aus aber doch mit beeindruckenden Abweichungen. Der Witz ist, dass der Patient auch von Träumen spricht und zwar von einer seltsam geformten Insel auf die das Schiff zusteuert, eine Insel auf der seltsam verformte Bären und andere Tiere rumlaufen, Ruinen von alten Kulturen...
Das klingt für mich fast als hätten wir Amerika erfolgreich umschifft und würden doch tatsächlich in Indien oder China anlanden, dann hätten wir die Route gefunden die Kolumbus hätte nehmen sollen, aber das kommt mit der Reisezeit vorn und hinten nicht hin, die Scholaren haben den Umfang der Erdkugel schon lange errechnet, und so schnell sind wir nie im Leben.
Der Koch leidet indessen an Inanation, sollte mir Sorgen machen da der Koch sonst der Fetteste in der Crew ist. Zugegeben, schwer in diesen Zeiten und auf einem Schiff dick zu werden, erst recht bei dem Geschaukel, aber wenn selbst der Koch seinen Fraß nicht runterkriegt...
Er meint es sei wegen Alpträumen die er hatte, von einem untoten Wikinger der bei einem alten nordischen Schiffswrack herumrennt, an einem langen Strand mit Palmen. Eine lebhafte Phantasie hat der Gute jedenfalls.
Nach Frauen an Bord hab ich mich, meines Rufes zu Liebe, nicht erkundigt, habe aber weder welche gehört noch gesehen. Die Hoffnung bleibt, dass sie einfach woanders auf dem Schiff sind.
Nun ja wie dem auch sei, ich muss meine Notizen langsam beenden, der aufziehende Sturm wird stärker. Es gibt überraschenderweise keinen Regen und der Wellengang ist zu meiner Freude ruhig, aber man hört Donnergrollen von Blitzen. Ich hab Thorne gefragt ob er nicht langsam mal die Segel einholen will, aber er meinte nur, er weiß schon was er tut und ich soll schön brav in meiner Kajüte bleiben und weiterkotzen. Tja, wenn wir im Sturm die Segel verlieren oder umgeworfen werden hoff ich er ersäuft. Rudern werd ich nicht nach Aeternum.